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19.07.2018 | News , News , Pressemitteilung , Technik

„Knetmasse hilft“ – nach dem Motto: Du findest eine Lösung

Pionierarbeit: Schüler konstruieren Luftschiffe mit Smartphone-Steuerung

Selbst berechnen und erproben hieß es für die Teilnehmenden der Schüler-Ingenieur-Akademie in Reutlingen. Foto:Hochschule Reutlingen

Kerstin Kindermann

Es knistert und silbrig leicht fahren 16 Luftschiffe bei der Robert Bosch GmbH am Testflugtag durch das Schulungszentrum. Selbst konstruiert – von der Planung, Simulation, bis zum Bau eines Luftschiffes, das mit mobilen Endgeräten gesteuert werden kann – von 16 Schülerinnen und Schülern des HAP Grieshaber Gymnasiums Reutlingen und vom Friedrich-Schiller-Gymnasium Pfullingen. Seit 15 Jahren gibt es die Schüler-Ingenieur-Akademie in Reutlingen – kurz SIA. Das Projekt fördert durch praktische Übungen, Projektarbeit und Vorlesungen aus Naturwissenschaft und Technik die Attraktivität des Ingenieurberufs.

Vor allem die Einblicke in Studium und Beruf an der Hochschule Reutlingen und bei der Robert Bosch GmbH in Reutlingen sind für die Gymnasiasten ein Highlight. Die Idee hatten die Physiklehrer Dr. Holger Hintz vom HAP Grieshaber Gymnasium und Patricia Letzgus vom Friedrich-Schiller-Gymnasium schon 1,5 Jahre vor dem SIA-Projektstart. Je acht Zehntklässler wurden von beiden Schulen durch schriftliche Bewerbung ausgewählt, darunter vier Mädchen. Als es Anfang des Schuljahres losging, hieß es zirka 34 Wochen mit je zwei Zeitstunden jeden Freitagnachmittag im Team diese Pionier-Idee in insgesamt 100 Stunden umzusetzen.

Bis auf die SIA-Projektpartner glaubte im Umfeld niemand so Recht an den Erfolg. Im Gegenteil, viele hielten die Physiklehrer für verrückt. Als Dr. Hintz ein Unternehmen suchte, das Spezialfolien herstellt, bekam er die erste unerfreuliche Absage, die ihn aber nicht von seiner Idee abhalten konnte. Zum Glück fand er schnell ein Unternehmen, das Folien herstellt und so besteht die Außenhaut der Luftschiffe jetzt aus ganz gewöhnlicher Ballonfolie. Auf ihr wurden neben der Motorhalterung noch gedruckte Solarmodule angebracht, die von der "Solarfabrik der Zukunft" (ZAE Bayern) beigesteuert wurden, weil sie einen Teil der elektrischen Versorgung der Systeme des Zeppelins aufbringen und aufgrund ihrer Leichtigkeit und Flexibilität besonders geeignet sind. Der Verband Südwestmetall fördert dieses Projekt ebenfalls.

Am vergangenen Freitag bei der Abschlusspräsentation war die Freude groß, denn der beste Beweis, „dass alles möglich ist, wenn man daran glaubt, nach dem Motto: das kannst Du noch nicht, aber Du findest eine Lösung“, sind 16 batteriebetriebene Luftschiffe mit Solar-Unterstützung, die per Smartphone fernsteuerbar sind, 16 stolze Schülerinnen und Schüler und sehr glückliche Eltern. Alle sind sich einig, es war eine echte „Pioniertat“, denn es gab keinen SIA-Vorgänger, an dem man sich hätte orientieren können, nur im Modellbau gibt es einige Beispiele, man konnte also nicht mal einfach „nur“ googeln, sondern durfte selber berechnen und erproben. So wurde das Flugschiff-Projekt zum SIA-Flagschiff 2018!

Schüler und Schülerinnen an ein ingenieurtechnisches Großprojekt über ein Jahr mit Teilprojekten heranzuführen, ist für alle Projektpartner eine positive Herausforderung. Deshalb steht Teambuilding auf dem Stundenplan. Jonas Beck vom FSG hat hier vor allem „Rettet das Ei“ gefallen. Dabei musste ein Aufprallschutz für ein Ei entwickelt und dabei die Kosten im Auge behalten werden. Bei der Teambuilding-Maßnahme „15 Dinge mit auf den Mond“ lernte man die Klassenkameraden besser kennen. Ann-Kathrin Hailer vom HAP findet es enorm, „was wir für eine Entwicklung gemacht haben. Projektarbeit braucht Teamwork, wir müssen miteinander reden, in Kontakt kommen, persönliche Grenzen überwinden und wir haben gelernt, dass wir an schwierigen Aufgaben unser Potential entwickeln können und es auch Spaß macht.“ Dr. Hintz nennt das „seine Frusttoleranz bei Fehlern vergrößern und daraus Gewinn ziehen!“

Neben dem eigentlichen Flug des eigenen Luftschiffes ist die Eigenverantwortung der Schüler sehr wichtig.  Bei einer SIA geht es um ein Gesamtkonstrukt. Dies ist ein großer Unterschied zum normalen Alltag der Schüler. Hinzu kommt die Arbeit mit völlig unterschiedlichen Projektpartnern. Bei der Robert Bosch GmbH wird den Schülern der spätere Berufsalltag vor Augen geführt, sie löten die Steuerplatine mit so kleinen Bauteilen, die mit dem bloßen Auge schwer zu erkennen sind. Sie besuchen an der Fakultät Technik Vorlesungen von Professor Raudzis zur Berechnung der Luftschiffgröße, Aerodynamik und Auftrieb und zur Flächen- und Volumenberechnung bei komplizierten Formen. Andreas Beck und Ivan Reimer, beides Spezialisten bei der Fakultät Technik für CAD und Computer, arbeiten sie intensiv in das anspruchsvolle CAD-System (Computer Aided Design) ein, um die Motorhalterungen alleine konstruieren zu können, welche anschließend an der Fakultät Technik auf dem brandneuen, modernsten 3D-Sinter-Laserdrucker gefertigt wurden.

Professor Matthias Rätsch wird oft von Eltern gefragt, was er denn ihren Kindern als Studium empfehlen würde und verweist gerne auf die Schüler-Ingenieur-Akademie – nach dem Motto: erst probieren, dann studieren! Mit diesem Projekt sei man in der Lage, seine Vorlieben und Begabungen kennenzulernen. Auch seine Grenzen. Und man könne besser für die Studienwahl differenzieren – ob es nun doch Mechatronik, Elektrotechnik, Mikroelektronik oder Informatik werden soll.

„Die SIA eignet sich hervorragend, technische Inhalte möglichst praxisnah zu vermitteln und als großer Arbeitgeber in Reutlingen haben wir immer ein Auge auf die Nachwuchsförderung. Finden die Schülerinnen und Schüler Gefallen an Technik, studieren sie diese Fächer oder bewerben sich bei uns direkt zum Beispiel für das Reutlinger Modell“, resümiert der Ausbildungsleiter von Bosch Automotive Electronics, Walter Bölk, an der Abschlussveranstaltung im Bosch Ausbildungszentrum Reutlingen, während sein Kollege Joachim Rack die Teilnehmerurkunden übergibt.

Faszinierend ist die Betreuung der Schülerinnen und Schüler durch die beteiligten Kooperationspartner. Sie lernen Teamcoaching, Präsentationstechniken, Programmieren und entwickeln eine Software zur Fernsteuerung. Nichts ist hier dem Zufall überlassen. So wie am Luftschiff mit dem Bügeleisen mal noch so manche Naht „geschweißt“ wird und so manches Teil in der Bosch-Werkstatt aufgrund seiner Miniaturgröße verloren geht, lernen sie sich aufeinander zu verlassen, im Team zu arbeiten, großartige Leistungen zu bringen, in einem gegebenen Zeitrahmen etwas zu Ende zu bringen und „manchmal hilft nur noch Knetmasse“. Für Ann-Kathrin und Jonas steht fest: „Wir haben technische Inhalte praxisnah vermittelt bekommen. Ein Jahr lang hatten wir die Gelegenheit, Themenstellungen und Arbeitsmethoden  zu erlernen, sowie Kontakte zu Professoren und betrieblichen Fachkräften der Unternehmen zu knüpfen, die uns Einblicke in Studium und Beruf gewähren. In praktischen sowie theoretischen Übungen und Projekten haben wir fachübergreifende Themen bearbeitet – aus dem Maschinenbau und der Elektronik ebenso wie aus den Bereichen Mechatronik, Energietechnik, Informationstechnik oder Betriebswirtschaftslehre. Das hilft uns, eine fundierte Entscheidung für die berufliche Zukunft zu treffen.“